Fischsterben 2017: Tote Dorsche und Plattfische an der Eckernförder Bucht

Fischsterben_Beitragsbild (Foto: AngelAnni)

Fischsterben: Dorsch tot, Plattfisch tot, Klein- und Jungfisch tot.

Tonnenweise toter Fisch: Seit Anfang dieser Woche kursieren viele schreckliche Fotos vom Fischsterben in den Anglergruppen und Foren. Das Entsetzen unter den Anglern ist groß, die Reaktionen emotional. Doch was ist hier eigentlich genau passiert und wie kam es zu der Katastrophe? War es vorhersehbar und warum konnte es nicht vermieden werden?

Wenige Tage zuvor wurde in der Presse bekannt, dass es in der Apenrader Förder zu einer Ölverschmutzung gekommen ist. Anfängliche Vermutungen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem ausgelaufenen Diesel nördlich von Flensburg und dem Fischsterben bei Eckernförde geben könnte, sind inzwischen wiederlegt worden.

Fischsterben in Eckernförde 2017 (Foto: AngelAnni)
Fischsterben in Eckernförde 2017 (Foto: AngelAnni)

 

Fischsterben wurde indirekt durch Umwelteinflüsse des Menschen verursacht

„Diesel schwimmt meiner Kenntnis nach auf der Wasseroberfläche. Hier liegen aber überall tote Dorsche und Plattfische, die sich eher am Grund aufhalten“, so Eric E (der „Coastfisher“ ist in der lokalen Anglerszene in Kiel aktiv). Die Schlussfolgerung wird auch von Ulla Grebe-Schmitz (Ostsee-Info Center in Eckernförde) gestützt. In diesem Video des Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlags nimmt die Expertin ausführlich Stellung zu den Geschehnissen:

 

Extremer Sauerstoffmangel im Wasser ließ die Fische ersticken


Wie bereits bekannt ist, gibt es in der Ostsee Bereiche mit sauerstoffreicherem und sauerstoffärmerem Wasser (siehe dazu Artikel „Sturmfluten und der Salzgehalt in der Ostsee„). Schaut man sich die Seekarte von Eckernförde an, wird man schnell folgendes feststellen:

  • In der Eckernförder Bucht gibt es Stellen (Löcher) mit großer Tiefe im Wasser. Durch den Südwestwind der letzten Tage wurde sauerstoffarmes Wasser von den tieferen Wasserschichten hochgewirbelt.
  • Besonders im Sommer kommt es in der Ostsee zu Ballungen von sauerstofffreiem Wasseransammlungen (sogenannten Blasen) unterhalb künstennaher Zonen.
  • Das spezifische Gewicht von Ostseewasser mit geringem Sauerstoff ist schwerer und verlagert sich in die eher tieferen Regionen bzw. Löcher.
  • Der starke Südwestwind verursachte eine Wasserbewegung: Das Oberflächenwasser der Ostsee wurde zuerst gegen das Borbyer Ufer gedrückt. Dabei ist es in die Tiefe geflossen und hat das sauerstoffarme Wasser der Blase, die näher an die Küstenregion gewandert war, verdrängt. Das abgestandene Tiefenwasser wurde in die oberen Wasscherschichten befördert und verursacht eine aktue Erstickungsgefahrt für die Fische
  • Normalerweise liegt der Sauerstoffgehalt der Ostsee bei 86 Prozent. Messungen nach beträgt der Sauerstoffgehalt im Wasser bei 0 Prozent.
(Bild: Gentle, Dead Fishes on the shores of Salton City, CC BY-SA 3.0 )
Toten Fische am Strand – darüber freuen sich nur die Möwen

 

Gegen das Naturphänomen hilft nur Wind aus anderen Richtungen

Viele aufgebrachte Angler fordern in den Angelforen nach Hilfsmaßnahmen durch die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk und nicht zu letzt öffentliche Ämter. Mit dem Gedanken, die Lage durch das Pumpen von Sauerstoff ins Wasser zu entschärfen, funktioniert praktisch gesehen nur leider nicht. Um das Meerwasser in den betroffenen Bereichen zu „belüften“, erfordert eine sehr große Menge an Sauerstoff. Vergangene Experimente solcher Art haben keinen Erfolg gebracht; eine Ausführung wäre zudem sehr aufwendig und sehr kostspielig.

Massenweise tote Fisch (Foto: AngelAnni)
Massenweise tote Fisch (Foto: AngelAnni)

Sinnvoller ist es nach Meinung von Experten wie Dr. Christoph Zimmermann vom Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei, die Ursachen der Blasenbildung zu bekämpfen. Durch jahrzehntelange Überdüngung von landwirtschaftlichen Flächen („Eutrophierung„) und auch durch den Verkehr gelangen Phosphate, Nitrate und Ammoniakstofe ins Wasser der Meere. Durch die vielen Nährstoffe im Wasser kommt es zu einem starken Wachstum von Algen (z.B. Blaualgen), die viel Sauerstoff verbrauchen. Generell fördern viele Nährstoffe im Wasser das Wachstum der Meeresflora (und Fauna). Der Abbau jedoch verbraucht ebenfalls viel Sauerstoff. Ein Übermaß an Düngemittel schlägt sich also konsequent gesehen negativ aus. Ein sinnvoller Ansatz zur Vermeidung von Ereignissen wie dem aktuellen Fischsterben (das übrigens etwa alle zwei Jahre in Kiel, der Eckernförder Bucht oder der Lübecker Bucht vorkommt) ist die Einschränkung und Reduzierung der Nährstoffeinträge zur Ostsee.

 

Dringende Hoffnung auf frisches, salzhaltiges Wasser aus der Nordsee – oder einer anderen Windrichtung

Salzwassereinbrüche sind überlebenswichtig für die Ostsee. Das liegt vor allem an der geologischen Besonderheit der Ostsee: es gibt nur eine sehr schmale Verbindung zur Nordsee, über die ein Wasseraustausch unter bestimmten Voraussetzungen zustande kommt. Für die Ostsee ist der Austausch sehr wichtig, denn ohne ihn sänke der Sauerstoffgehalt kontinuierlich.


Derzeit tobt der Orkan „Sebastian“ über die Deutsche Küste. Sturm und Regen, nichts ungewöhnliches im Herbst. Auch die Warnung vor einer Sturmflut gehört dazu. Nicht nur für die Eckernförder Bucht, sondern die komplette Ostsee, steckt darin ein Funken Hoffnung.

Karten der Ostsee-"Todeszonen": Langzeitdaten aus knapp 40 Jahren zeigen Entwicklung der Sauerstoff-Minimumzonen
Karten der Ostsee-„Todeszonen“: Langzeitdaten aus knapp 40 Jahren zeigen Entwicklung der Sauerstoff-Minimumzonen

 


IOW-Karte zur Verteilung von Sauerstoffminimum- und Schwefelwasserstoff-Zonen in der Ostsee, hier vom Sommer 2015
Um dem Ausbreiten der sog. Todeszonen entgegen zu wirken und das Leben von Pflanzen, Fischen etc. weiterhin zu ermöglichen, muss die Ostsee von Zeit zu Zeit durchatmen. Durch salz- und damit sauerstoffhaltiges Nordseewasser.

Dorsche, Tobiasfische (Sandaale), Plattfische und andere wurden Opfer des Sauerstoffmangeln (Foto: AngelAnni)
Dorsche, Tobiasfische (Sandaale), Plattfische und andere wurden Opfer des Sauerstoffmangeln (Foto: AngelAnni)


Hoffen wir also, dass der Wind sehr bald schon wieder aus „der richtigen Richtung“ weht: für ein Ende des Fischsterbens in Eckernförde aus Norden, für einen Salzwassereinbruch zuerst aus Osten, dann aus Westen.
 
 

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